Inzwischen beginnt für viele Betroffene der dritte Monat des Corona-Shutdowns ohne Einnahmen; Miete, Lebensunterhalt, Versicherungen und anderes sind aber weiterhin zu bestreiten. „Dieser Zustand hat für viele Solo-Selbstständige mittlerweile existenzbedrohende Auswirkungen“, weiß Ute Gottschaar, stellvertretende Landesleiterin bei der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). In Sorge um die vielen tausenden Solo-Selbstständigen hat ver.di jetzt die Regierungschefs von Niedersachsen und Bremen angeschrieben – sie fordert darin angemessene Unterstützung.
Die bereits bestehenden Programme des Bundes für kleine und mittlere Betriebe seien darauf ausgerichtet, definierte Betriebsausgaben auszugleichen, etwa Miet- oder Leasingkosten. Bei einem sehr großen Teil der Solo-Selbstständigen seien jedoch Privates und Berufliches untrennbar miteinander verquickt und das eigene Einkommen eine laufende betriebliche Ausgabe. Insofern erfüllen sie nicht die bestehenden Bedingungen für diese Soforthilfen.
In den beiden Ländern Niedersachsen und Bremen bleibe Solo-Selbstständigen aufgrund fehlender Landesprogramme nur der Weg in Hartz IV. „Oft nicht einmal das, wenn sie in einer Bedarfsgemeinschaft leben“, so Ute Gottschaar. Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg oder Hamburg hätten eigene Hilfsprogramme für Selbstständige aufgelegt.
Ute Gottschaar appelliert in ihrem Schreiben daher eindringlich an Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte und Ministerpräsident Stephan Weil: „Wann geht unser Land Niedersachsen auch diesen guten Weg?“
Solo-Selbständige leisten viel für uns unsere Gesellschaft, zum Beispiel als Journalist*innen, Lehrkräfte oder Künslter*innen. „Sie haben es verdient, in der Krise genauso finanziell unterstützt zu werden wie Beschäftige in Betrieben oder Dienststellen“, fordert die Gewerkschafterin.
Offener Brief an Ministerpräsident Stephan Weil und Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Weil,
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Bovenschulte,
„Solidarisch ist man nicht allein!“ Das Leitmotiv für den diesjährigen 1. Mai - entstanden vor der Corona-Krise - empfinden viele der rund 2,2 Millionen Solo-Selbstständigen in Deutschland derzeit als dringenden Wunsch an Politik und Gesellschaft. Denn wie Sie sicher wissen, sind die meisten dieser Erwerbstätigen - etwa Journalist*innen, Honorar-lehrkräfte, Künstler*innen, Tagesmütter, Physiotherapeut*innen, Gästeführer*innen, Musiker*innen, Museumspädagog*innen, von denen mehrere Zehntausend in ver.di organisiert sind - noch immer von den Soforthilfen des Bundes und auch des Landes Niedersachsen abgeschnitten.
Inzwischen beginnt für viele Betroffene der dritte Monat des Corona-Shutdowns ohne Einnahmen - Miete, Lebensunterhalt, Versicherungen und andere finanzielle Verpflichtun-gen sind aber weiterhin zu bestreiten. Dieser Zustand hat für viele Solo-Selbstständige mittlerweile existenzbedrohende oder gar vernichtende Auswirkungen. Die meisten von ihnen konnten aufgrund der ohnehin oftmals prekären Bezahlung am freien Markt keine oder kaum Rücklagen bilden.
Die bereits bestehenden Programme des Bundes für kleine und mittlere Betriebe sind darauf ausgerichtet, definierte Betriebsausgaben auszugleichen, etwa Miet- oder Leasing-kosten. Bei einem sehr großen Teil der Solo-Selbstständigen sind jedoch Privates und Berufliches untrennbar miteinander verquickt und das eigene Einkommen eine laufende betriebliche Ausgabe. Insofern erfüllen sie nicht die bestehenden Bedingungen für diese Soforthilfen. Auch Steuerstundungen nützen ihnen wenig, denn viele von ihnen sind Geringverdiener.
Der Versuch der Wirtschaftsminister*innen der Länder, eine bundeseinheitliche Regelung finanzieller Soforthilfen für Solo-Selbstständige zu vereinbaren, ist offenbar gescheitert.
Deshalb wenden wir uns heute noch einmal an Sie mit dem dringenden Appell, auch in Bremen dafür zu sorgen, dass Tausende selbstständig und freiberuflich Erwerbstätige in der Corona-Krise zumindest minimal finanziell abgesichert sind.
Dass dies möglich ist, zeigen andere Bundesländer: In Baden-Württemberg wird das Soforthilfeprogramm des Bundes mit Landesmitteln für einen fiktiven Unternehmerlohn ergänzt. Solo-Selbstständige bekommen dort 1.180 Euro pro Monat über ein für Bun-des-und Landesmittel einheitliches und damit unbürokratisches Antragsverfahren. Auch in Hamburg hat man einen Weg gefunden, Solo-Selbstständigen existenzsichernde Finanzhilfen von zusätzlich maximal 2.500 Euro zukommen zu lassen. Am 12.05. hat auch die NRW-Landesregierung auf anhaltende Forderungen reagiert. Nachdem der Bund weiterhin seine Zurückhaltung verdeutlicht hatte, ermöglicht NRW den Betroffenen nun, je 1.000 Euro der Soforthilfe für die Monate März und April für private Ausgaben zu nutzen.
Wann geht unsere Länder Niedersachsen und Bremen auch diesen guten Weg?
Solo-Selbstständige leisten viel für unsere Gesellschaft und ihre Arbeit ist unverzichtbar für unser körperliches und geistiges Wohlbefinden - so wird es sinngemäß oft in Sonn-tagsreden und bei Preisverleihungen gesagt.
Wir meinen: Bisher hauptberuflich solo-selbstständig tätige Menschen mit einem Verweis auf die Grundsicherung abzuspeisen, kann keine Lösung sein. Diese Erwerbstätigen haben es verdient, in der Krise ebenso wie Arbeitnehmer*innen oder Unternehmen finanziell unterstützt zu werden.
Deshalb ist es höchste Zeit, die restriktive Handhabung der Lebenshaltungskosten zu überarbeiten und auch „Unternehmer*innen-Einkommen“ als laufende Kosten anzuerkennen. Dies soll den Betroffenen ermöglichen, den eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren, ohne auf Hartz-IV angewiesen zu sein - das noch dann noch einmal gewährt werden, wenn die Betroffenen in einer Bedarfsgemeinschaft leben
Wir fordern Sie dringend auf, Solo-Selbstständigen die Möglichkeit einer Corona-Hilfs-zahlung auch für den Einkommensausfall zu eröffnen.
Gern kommen wir dazu mit Ihnen schnellstmöglich ins Gespräch.
Ute Gottschaar
Stellvertretende Landesleiterin
Matthias Hoffmann
Gewerkschaftssekretär für Selbstständige
Markus Westermann
Bezirksgeschäftsführer Bremen-Nordnds.