Die Erwerbsstatistik verzeichnet – über Jahre stabil – jährlich rund zwei Millionen Personen, die als Solo-Selbstständige (also Erwerbstätige ohne Beschäftigte) tätig sind. Tatsächlich liegt die Zahl der Personen, die Zeiten haupt- oder nebenberuflich solo-selbstständiger Tätigkeit in ihrer Erwerbsbiografie verzeichnen, wesentlich höher.
Die Gesellschaft ist gefordert insbesondere sozial- und arbeitsrechtlich auf die sogenannte Hybridisierung der Erwerbstätigkeit zu reagieren und durch die Etablierung von Regularien durchgängige soziale Sicherungsbiografien zu fördern. Unser Leitbild ist die Akzeptanz und Wertschätzung der solo-selbstständigen Erwerbstätigkeit. Dazu sind Solo-Selbstständige mit allen Rechten und Pflichten in die Arbeitswelt und die soziale Sicherung zu integrieren.
Wir empfehlen allen Parteien den Entwicklungen und Herausforderungen in der Arbeitswelt Rechnung zu tragen und folgende Punkte in ihre Bundestagswahlprogramme und Positionen aufzunehmen:
Positionen zur Bundestagswahl 2021
- Das Sozialversicherungssystem muss den zunehmend heterogenen und hybriden Berufsbiografien angepasst werden. Alle Erwerbstätigen sind in durchlässige, statusunabhängige soziale Sicherungssysteme einzubeziehen. Dabei darf der Beitrag zu den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung für Selbstständige nicht zu finanzieller Überforderung führen.
Unternehmen, die Aufträge an Solo-Selbstständige vergeben, müssen an den Sozialversicherungskosten der Beauftragten beteiligt werden.
- Die freiwillige Arbeitslosenversicherung muss allen Solo-Selbstständigen grundsätzlich offenstehen und in Richtung einer Erwerbslosenversicherung weiterentwickelt werden. Beitrags- und Leistungsbedingungen sind analog zu denen der abhängig Beschäftigten auszugestalten.
- Zwischen echter unternehmerischer Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung ist eine klare und verständliche Grenze zu ziehen. Eine Neufassung des § 7 Abs. 1 im Sozialgesetzbuch IV sowie des § 611a BGB soll Rechtssicherheit für alle Beteiligten schaffen.
Dazu bedarf es eines abschließenden gesetzlichen Katalogs von Kriterien, der allen Beteiligten eine einfache arbeits-und sozialrechtliche Statusbeurteilung ermöglicht. Der Katalog muss für das SGB IV und das BGB identisch sein. Das Bestehen eines Arbeitsvertrags ist widerleglich zu vermuten, wenn sozialrechtlich ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt. Die Beweislast für das Gegenteil trägt, wer stattdessen als Auftraggeber gelten will.
Die Schwelle, ab der eine Person als arbeitnehmerähnlich gilt und unter den Schutz entsprechender Tarife fallen kann, ist durch eine Änderung des § 12 a Abs. 1 Nr. 1b) Tarifvertragsgesetz abzusenken:
Bisher werden darin Selbstständige als arbeitnehmerähnliche Personen anerkannt, wenn ihnen „von einer Person im Durchschnitt mehr als die Hälfte des Entgelts zusteht, das ihnen für ihre Erwerbstätigkeit insgesamt zusteht“. Hier soll ein Drittel des Entgelts reichen, um die Anwendbarkeit des Tarifvertragsgesetzes für arbeitnehmerähnliche Personen zu begründen.
- Das Wettbewerbsrecht darf die kollektive Interessenwahrnehmung nicht behindern, bestehende Schranken des Kartellrechts sind abzubauen. Ziel ist es, verbindliche branchenspezifische Mindestvergütungen als unterste Haltelinie zu schaffen - sowohl für den privaten als auch den öffentlichen Sektor.
Dazu sind Mechanismen zu entwickeln, die die kollektive Verhandlungsmacht der Solo-Selbstständigen stärken, ein Verbandsklagerecht ermöglichen und bei wirtschaftlich abhängigen Solo-Selbstständigen Tarife erzwingen. Für alle öffentlichen Aufträge sind Mindestvergütungen in Vergabegesetzen zu verankern.
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