Am Dienstag, 16. November 2021, haben die Mitglieder der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) der Fachklinik Bad Bentheim im großen Saal des Burg-Gymnasiums ihre Tarifkommission gewählt. Das Gremium hat ihrem Geschäftsführer Marco Titze zwei Terminangebote zur Sondierung im Rahmen der kommenden Tarifverhandlungen zukommen lassen. Überbringer der schriftlichen Aufforderung sind elf Mitglieder von Stadtrat und Kreistag aus den Fraktionen der SPD, der Grünen, der Initiative Pro Grafschaft und der Linken, darunter Landrat Fietzek und Bürgermeister Pannen. Nach eindrücklichen Redebeiträgen von Beschäftigten, Patient:innen und Bürger:innen der über 130 Personen umfassenden Diskussionsveranstaltung und in einem dort gezeigten Video, zeigten sich die Lokalpolitiker:innen tief bewegt und entschlossen, die Tarifbewegung zu unterstützen.
„Die Abwanderung der Klinikbeschäftigten wegen der katastrophalen Arbeitsbedingungen muss endlich gestoppt werden“, merkt Anke Wanscheer, Mitglied der ver.di Tarifkommission, an. Bei einer Abgehängtheit der Gehälter von im Schnitt um die 25 % zum Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) und zirka 20 % von anderen tarifierten Reha-Kliniken in Niedersachsen sei die Flucht der Kolleg:innen kein Wunder, so die Pflegefachkraft der Orthopädie. Anja Brüning, auch Mitglied der ver.di-Tarifkommission, ergänzt, dass der Ärger über die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen wie Wochenarbeitszeit, (Jahres-)Sonderzahlung, Gratifikationen und Zuschlägen noch dazu käme: „Wir haben alle eine hohe Identifikation mit der Klinik und eine große Verbundenheit mit den Patient:innen und Kolleg:innen. Umso trauriger ist, dass die Zumutungen solcher Zwei-Klassengesellschaft im Betrieb und der Verlust von finanzieller Planbarkeit und Sicherheit uns aus der Klinik treibt“, so die Ergotherapeutin. „Sehr bewegt war ich von den vielen Grußworten der Patient:innen und Bürger:innen, die uns viel Erfolg für unsere Tarifbewegung gewünscht haben“, führt Nannette van der Leeuw, ebenfalls Mitglied der ver.di-Tarifkommission, aus. In drei Tagen hätten sie nach einem Aufruf zahlreiche Video- und Fotobeiträge erreicht, die deutlich gemacht haben, wie wichtig die Arbeit der Beschäftigten für Patient:innen und die Region sei und dass diese endlich angemessen vergütet werden müsse. „Deutlich wird, dass man so nicht mit dem Tafelsilber der Region umgehen darf“, so die Beschäftigte des Salbenzimmers. Auch die anwesende Lokalpolitik war von den Beiträgen sehr beeindruckt und signalisierte Unterstützung.
„Es ärgert mich richtig, dass unser Arbeitgeber nun alles versucht, unsere Tarifbewegung zu stoppen“, bringt Jutta Kronemeyer ein, auch Mitglied der ver.di-Tarifkommission. Zurzeit würden einzelne Beschäftigte eingeschüchtert, während der Geschäftsführer eine Abteilung nach der anderen besuche und den Eindruck verbreite, dass er ab jetzt besser bezahlen will. Allerdings tue er das mit der widersprüchlichen Nachricht, er sei zum Ergebnis gekommen, die meisten verdienten bereits genug oder bekämen zu viel, so die Küchenkraft, wobei er die angeblichen neuen Gehaltshöhen zudem unter Verschluss hielt. „Herr Titze hat uns im Betriebsrat ebenfalls seine Absicht zu Gehaltsverbesserungen vorgelegt“, ergänzt Elke Vetter, stellvertretende Betriebsratvorsitzende und Mitglied der ver.di-Tarifkommission. Das Gremium habe sich ihm gegenüber und öffentlich klar gegen Gehaltsverhandlungen mit dem Betriebsrat ausgesprochen. „Als Betriebsrat und abhängig Beschäftigte können wir keine Augenhöhe mit ihm erreichen.
Deswegen wollen wir, dass das die ver.di übernimmt“, so die Pflegefachkraft der Dermatologie. Nur die in einer Gewerkschaft organisierten Kolleg:innen hätten Durchsetzungsgskraft, fügt Oliver Barth hinzu: „Schon das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass alles andere kollektive Bettelei sei“, bringt es der ver.di-Gewerkschaftssekretär auf den Punkt. Deswegen warte man die zwei angebotenen Sondierungstermine bis Anfang Dezember ab und fahre bei Nichtreagieren betriebliche Aktionen hoch, so Barth.
Die Fachklinik mit ihren knapp 400 Beschäftigten ist einer der größten Arbeitgeber der Region. Sie gibt Bad Bentheim den Kurortstatus, welche für viele angrenzenden Sektoren wie den Tourismus und den Einzelhandel Standortvorteile erbringt. Ihre Dermatologie, Orthopädie, Kardiologie und Rheumatologie sind bundesweit und in den Niederlanden hochgeschätzt und ihre Schwefelkuren in Norddeutschland nahezu einzigartig.