Am Donnerstag, 22. Juli 2021, findet die Übergabe der Petition „Für einen wertschätzenden, transparenten und personalsichernden Tarifvertrag − jetzt!“ statt. Über 60 % der tariffähigen Belegschaft der Fachklinik Bad Bentheim haben die Petition unterschrieben und verlangen die Aufnahme von Tarifverhandlungen mit ihrer Gewerkschaft, der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Zur Übergabe sind der Geschäftsleiter Marco Titze sowie die drei Repräsentanten der Gesellschafter Carl Ferdinand zu Bentheim und Steinfurt, Bürgermeister Volker Pannen und der Landrat Uwe Tietzek geladen. Von den Verantwortlichen gibt es bisher verhaltenes Echo. Angefragt sind außerdem die Rheumaliga, die Dialyse-Station, der Landfrauenverband, Sport- und Schützenvereine, die Feuerwehr, Parteien-Vertreter:innen und die Presse. Neben Grußworten, Musik und Infos über Tarifverträge gibt es Kinder-Spielecken und mehr. Weitere Gäste sind herzlich eingeladen. Zur feierlichen Übergabe wird man sich von 12:00 Uhr bis 14:30 Uhr auf dem ehemaligen Omnibus-Wendehammer rechts nach dem Eingangstor des Klinikgeländes einfinden.
Die Kolleg:innen seien entsetzt, dass der Geschäftsleiter Marco Titze sich bei allen Anfragen der Gewerkschaft von einer Rechtsanwaltskanzlei vertreten lassen will, berichtet Zelal Jansen*: „Wir erleben unseren Geschäftsführer bei Angelegenheiten unserer Arbeitsbedingungen als Vogel Strauß“, so die Ergotherapeutin. Jetzt, da die Gelegenheit da wäre, mit den Beschäftigten über eklatante Missstände in der Klinik ins Gespräch zu kommen, stecke der Kopf im Sand. „Mich ärgert, dass sich abzeichnet, dass die Gesellschafter ähnlich ausweichend zu reagieren scheinen“, ergänzt Pawel Busch*. Man hoffe doch sehr, dass der Bürgermeister, der Landrat und der Prinz so weitsichtig sind, zu erkennen, dass es bei der Petition um eine Mehrheitsmeinung und nicht um eine unter den Teppich kehrbare Randmeinung gehe, so der Beikoch.
„Schon lange klagen die Kolleg:innen, dass die Gehälter überdurchschnittlich von der allgemeinen Lohnentwicklung abgehängt sind“, führt Beate Ziegler* aus. Dem maßgeblichen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) hinke man im Schnitt 25 % hinterher, zu anderen tarifgebunden Rehas in Niedersachsen 20 %, so die Pflegefachkraft. „Da ist die diesjährige Gehaltserhöhung von vier Prozent nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, schließt Hubert Schulze* an. Ohnehin sei man skeptisch, wie ernst es der Geschäftsleitung mit guten Arbeitsbedingungen sei. Wenn seit Jahren die erste Lohnerhöhung dann komme, wenn offensichtlich wird, dass die Mehrheit der Kolleg:innen einen Tarifvertrag fordern, dann sei es einfach, eins und eins zusammenzuzählen. „Die Kolleg:innen durchschauen diesen Trick, der uns beschwichtigen und vom nötigen Tarifvertrag abbringen soll“, schließt der Physiotherapeut.
An einem Tarifvertrag führe kein Weg vorbei, merkt Ellias Can* an, denn nur so wären einheitliche Bedingungen nach Tätigkeit möglich: „Wir verdienen hier alle unterschiedliche Gehälter und es herrscht ein Wirrwarr an verschiedenen Regelungen zu grundlegenden Arbeitsbedingungen wie Wochenarbeitszeit, Jahressonderzahlungen, Urlaubstagen, Überstunden, Zulagen, was die Zufriedenheit mit der Arbeit hier sehr belastet“, beklagt Masseur: „Wir wollen gleiches Gehalt und gleiche Regelungen für gleiche Arbeit!“. Überhaupt verlange man mehr Transparenz bei Unternehmensentscheidungen. Denise Arndt*, erinnert an den unklaren Umgang mit der Infektionslage und an die Meldungen über einen möglichen Verkauf der Klinik. „Es raubt unnütz die Nerven, wenn wir über solche, unsere persönliche Situation betreffende Information aus der Zeitung erfahren und uns die Verantwortlichen tagelang anschweigen“, stellt die Kollegin aus der Patientenaufnehme fest.
Zu Recht hätte man es satt, auf grundlegende Verbesserungen zu warten, äußert Oliver Barth. Es reiche nicht aus, nur beklatscht zu werden. „Nach den vielen Lippenbekenntnissen für Aufwertung des Gesundheitswesens in der Corona-Krise verlangen die Kolleg:innen endlich, dass das nun grundlegend umgesetzt wird,“ erklärt der ver.di-Gewerkschaftssekretär und weist auf die Verantwortung der kommunalen bzw. kommunal orientierten Gesellschafter, was sich gerade in Zeiten der Kommunalwahl äußern müsste.
Die Fachklinik mit ihren knapp 400 Beschäftigten ist einer der größten Arbeitgeber der Region. Sie gibt Bad Bentheim den Kurortstatus, welche für viele angrenzenden Sektoren wie den Tourismus und den Einzelhandel Standortvorteile erbringt. Ihre Dermatologie, Orthopädie, Kardiologie und Rheumatologie sind bundesweit und in den Niederlanden hochgeschätzt und ihre Schwefelkuren in Norddeutschland nahezu einzigartig.
*)Namen geändert